Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit der sich explosionsartig vermehrenden Quaggamuschel. Durch die rasante Vermehrung, die zur Bildung von Muschelbänken führt, droht letztlich ein Verschluss der Fassungsleitungen infolge Zuwachsens durch die Quaggamuschel. Bereits in der Ausgabe 09/2020 unseres Newsletters haben wir erstmals über dieses Problem berichtet.
Innerhalb eines Jahres kann eine Muschel bis zu 1. Million Eier produzieren aus der bei erfolgter Befruchtung im freien Wasser Larven entstehen. Diese Larven haben eine Grösse von 60 bis 160 Mikrometer (0.06mm bis 0.16mm !!). Sie lassen sich von der Strömung treiben und setzen sich nach etwa 7 bis 10 Wochen als Jungmuschel (ab 0.2mm) auf festem oder weichem Untergrund ab. Das Wachstum beträgt bei idealen Bedingungen etwa 0.5 bis 1mm pro Woche. Ab einer Grösse von 5 bis 10mm sind die Muscheln geschlechtsreif. Sie kann eine Grösse von bis zu 40mm erreichen und wird etwa drei bis fünf Jahre alt. Quagga-Muscheln bevorzugen Süss- und Brackwasser. Außerhalb des Wassers können sie bis zu 90 Stunden lang ohne größere Schäden überleben. Dabei spielen allerdings Faktoren wie die Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine entscheidende Rolle. Der Erstfund im Bodensee erfolgte im Mai 2016 am Südufer des Überlingersees. In der Nähe von Wallhausen.
Quagga-Muschel: Auswirkung auf die Wasserversorgung
Die Quagga-Muschel setzt sich auf Hart- und Weichsubstrat ab, das heisst sowohl auf hartem Untergrund (Steine, Holz, Bootsrümpfe etc.) als auch weichem Untergrund (Sand, Sedimente etc.). Jungmuscheln «sitzen» auf Artgenossen und bilden somit generationenweise ganze Muschelbänke. Rohrleitungen droht ohne Massnahmen der Verschluss. Die nachstehende Bildfolge zeigt das zunehmende Wachstum der Quaggamuschel am Seiher unserer Fassungsleitung. Der Seiher ist eine Art Siebkorb, welcher am seeseitigen Ende der Fassungsleitung angebracht ist. Hier ist die Gefahr eines «Verschlusses» besonders schnell gegeben, da die Muscheln das Sieb flächig an Innen- und Aussenwänden besiedeln.





Sofortmassnahme: Ersatz des Seiher 2021
Im Herbst 2021 wurde der Original-Seiher durch einen neuen, abnehmbaren «Wechsel»-Seiher ersetzt. Durch die grössere Lochung des Siebes ist zudem gewährleistet, dass es länger dauert bis es zu einem Verschluss durch den stetigen Muschelbewuchs kommt.


Projekt-Idee und Umsetzung: Rohwasserschacht mit Molchschleuse
Ausgangslage
Versuche haben gezeigt, dass der Muschel mit herkömmlichen Mitteln nicht beizukommen ist. Bislang war es üblich die Fassungsleitungen, welche in nur 30m Tiefe liegen mit periodischer Chlorierung vom Muschelbewuchs an der Innenseite zu befreien. Die Quagga-Muschel «wehrt» sich dagegen, indem sie sich dicht verschliesst und so bis zu 2 Wochen ohne Nahrungsaufnahme überleben kann. Andere chemische «Verfahren» werden bereits zu Beginn verworfen, da im Bereich der Trinkwasser-Aufbereitung auf den Einsatz von Chemie verzichtet werden will.
Mechanische Reinigung
Die in der Leitung festsitzenden Muscheln sollen mechanisch «abgeschält» werden. Dies gelingt mithilfe eines Reinigungszapfens – dem sogenannten «Molch». Dieser wird in die zu reinigende Leitung eingesetzt und mit Wasserdruck durch die Leitung getrieben. Auf der Oberfläche ist der Molch mit Bürsten bewehrt, welche die Muscheln mechanisch Abreiben. Zusammen mit dem Molch werden die abgeriebenen Muscheln als Sediment-Wolke in den See ausgebracht. Der Molch wird durch Auftrieb an die Oberfläche auftauchen, kann geborgen und anschliessend wieder verwendet werden.
- Molchung bislang die bevorzugte Reinigungsmethode;
- Erfahrungen vorhanden (DN700 Leitung, MTU, Friedrichshafen);
- Anpassungen an der Fassungsleitung an Anfang und Ende notwendig;
- Chemiefreie Reinigung der Fassungsleitung


Betrieb ohne Seiher
Der Seiher stellt für den Reinigungsprozess ein Hindernis dar. Das Konzept sieht vor den Seiher zu entfernen und die Fassungsleitung mit «offenem Ende» zu betreiben. Aufgrund von Expertisen darf erwartet werden, dass in der Tiefe von 60m und rund 5m über Grund das Aufkommen von Fischen eher gering ist. Fische haben aufgrund ihres natürlichen Verhaltens keinen Anlass in die Röhre zu schwimmen. Die erzeugte Strömung ist auch nicht stark genug, dass man von einem «Saug-Effekt» sprechen könnte. Die Fische können mühelos dieser Strömung davonschwimmen. Dennoch muss das Eindringen von «verirrten» Fischen in den Bereich der Pumpen verhindert werden. Dies soll mit einem zusätzlichen Rohwasser-Schacht in Kombination mit einer Fisch-Sperre bewerkstelligt werden.
Der Rohwasser-Schacht dient während dem jährigen Probebetrieb als Überwachungsstelle, um das allfällige Fischaufkommen zu «monitoren». Es sollen Anzahl, Grösse und Art der allfälligen Fische bestimmt und notiert werden. Nach dem Probejahr wird über die definitive Betriebsart (mit oder ohne Seiher) entschieden.